Zehn Jahre nach
EZLN-Revolte: Mehr Politik auch in der Musik? Dario Azzellini sprach
für die Zeitung „junge Welt“ mit Benjamin Anaya aus Mexiko-Stadt. Er ist ein
populärer Studio- und Livemusiker. Er spielt als Gitarrist in der Rockgruppe
»Restos Humanos Fieles Difuntos« und der Politrockband »Salario Minimo« F: Welchen Einfluß hatte
und hat der Zapatismus auf die mexikanische Rockmusik? Die mexikanische
Musikszene ist vom Zapatismus durchdrungen. Nicht nur Musikstile wie Ska,
Reggae, Punk, Garage, Hardcore, sondern auch Jazz und Konzertmusik sind
zapatistisch geprägt. Zum Gedenken an die Opfer des Massakers der
Paramilitärs in Acteál im Dezember 1997 entstand unter anderem Kammermusik.
Der bislang stärkste Ausdruck der Verbindung von Musik und Zapatismus war
aber erstaunlicherweise eine 1994 vom nationalen Symphonieorchester
aufgenommene CD, für die auch volkstümliche Instrumente verwendet wurden. Auf
dem Cover war Zapata abgebildet. F: Wurde auch die
internationale Musikszene vom Zapatismus geprägt? Ja. Man findet
Ausschnitte aus Reden des Subcomandante Marcos oder textliche Rückbezüge auf
politische Schriften der »Zapatistischen Armee zur Nationalen Befreiung«
(EZLN) auf Alben von Manu Chao und seiner früheren Band Mano Negra, bei Rage
Against the Machine, Fermin Muguruza, Banda Bassotti und anderen. In
Lateinamerika wurde der Zapatismus von der brasilianischen Band Paralamas
aufgegriffen, in Argentinien von Fito Paez und Charlie García. F: Und im Bereich der
Rockmusik? Bis zum Aufstand in
Chiapas vor zehn Jahren war die mexikanische Rockmusik vollständig in den
Händen transnationaler Konzerne wie Warner, Sony und Universal. Mit den
Zapatistas sind dann plötzlich auch die ersten unabhängigen Labels in Mexiko
aufgetaucht. Musiker verschiedener Richtungen taten sich zusammen, um
gemeinsame Soli-Konzerte zu organisieren. Das hat dazu geführt, daß es heute
in Mexiko auch keine so strikte Trennung mehr zwischen den Musikstilen und
den Fans gibt. Gemeinsame Konzerte von Jazzbands, Punkrockgruppen und
Folkmusikern sind Normalität. F: Inwieweit hat das zur
Politisierung der Musikszene beigetragen? Vor allem zwei
Künstlerkollektive, »El serpiente sobre ruedas« (Die Schlange auf Rädern) und
»La Bola« (Der Haufen, so wurden auch die revolutionären Horden Zapatas
genannt, d. A.) spielen hier eine wichtige Rolle. Sie organisieren gemeinsame
Aktionen und große gemeinnützige Konzerte, meist zur Unterstützung der
zapatistischen Gemeinden. »La Bola« haben zudem einen engen Bezug zur
politischen Studentenszene. Dieses Umfeld ist politisch sehr produktiv. In
Mexiko-Stadt sind an sechs Universitäten freie Radios entstanden. Diese
Sender haben viel dazu beigetragen, alternative Informationen über die
Zapatisten und Chiapas zu verbreiten. F: Das Verhältnis
zwischen Zapatistas und Musikern ist nicht immer reibungsfrei. Die Zapatisten
haben sich in einem Schreiben sehr erbost über die mexikanische Popband Maná
geäußert. Was steckt dahinter? Im Jahr 2001, beim Marsch
der Zapatisten nach Mexiko-Stadt, spielten Maná und Jaguares, die
erfolgreichsten spanischsprachigen Bands, gemeinsam beim Konzert »Vereint für
den Frieden«. Diese kommerzielle Massenveranstaltung im Aztekenstadion wurde
von den größten TV- Konzernen Tele Azteca und Televisa organisiert, also zwei
Speerspitzen des Neoliberalismus. Das Konzert diente dem Zweck, die
Zapatisten unter Druck zu setzen, ein Friedensabkommen zu unterzeichnen. Maná
wollten seinerzeit auch Santana zu einem Auftritt bewegen. Santana lehnte mit
den Worten ab: »Ich werde niemals für die Unterdrücker meiner Leute spielen.«
Später nahmen Maná die Platte »La revolución del amor« auf. Auf dem Cover
prangt das Bild Zapatas, und in den Titeln sind Samples von Marcos Reden zu
hören. Maná machten sich dabei in opportunistischer Weise Symbole einer
politischen Bewegung zu eigen, deren Entwicklung sie niemals aktiv
unterstützt haben. -> Startseite Gruppe
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